Wenn es etwas gibt, dass ich absolut hasse, dann sind es ungefragte Anrufe, die sich über mein Leben erkundigen wollen. Jetzt gibt es zwei unterschiedliche Arten von Marktumfrage:
1. Der Mikrozensus
Der ist auf Grund welcher Rechtslage auch immer staatlich angeordnet und die freiwilligen Mitarbeiter haben jede Menge Möglichkeiten, sich zu melden und schlichtweg rum zu nerven. Da kann man tatsächlich auch wenig gegen machen, da es sich um eine offizielle behördliche Einrichtung handelt und die Sanktionen verhängen können, die einen extrem beschäftigen können. Interessanterweise ist der Fragebogen ewig lang, aber per Telefon sind es nur etwa 15 Fragen und alles, was man nicht beantworten muss, kann an der Stelle einfach weggelassen werden.
2. Telefonmarketing
Das sind diese Marktumfrageinstitute, die ohne jede Rechtslage einfach mal anrufen und mitunter ihre eigene Telefonnummer verschleiern, um bei der Gelegenheit irgendwelche Fragen über Politiker und Putzmittel zu stellen. Sehr lästig, aber wenn man Zeit hat – also wirklich viel Zeit hat – dann kann echt seinen Spaß haben. Rechtlich besteht kein Anspruch auf irgend eine Korrektheit in der Aussage, und daher hat man die Möglichkeit, ein unglaublich amüsantes Gespräch zu führen. Das Einzige, was man nicht darf, ist die Person auf der anderen Seite direkt zu beleidigen.
Das es für sich schon eine Beleidigung darstellt, von solchen Leuten angerufen zu werden, ist eine andere Geschichte.
So auch diese arme Dame, die angerufen hat – ausgerechnet, als ich Zeit und lange Weile hatte. Als das Telefon klingelte, bin ich natürlich ran gegangen… – Und das Unglück nahm seinen Lauf.
„Hallo?“ OK, das war vielleicht nicht gerade ein lyrischer Anfang für ein Gespräch, schien aber mein Gegenüber nicht zu stören: „Ja, schönen guten Tag, Marktwirschaftliche Forschungseinrichtung im Auftrag der Wirtschaft und für Datenerhebung für das Bundesministerium für Arbeit…“ Das dauerte noche eine Weile, bis die Stimme am Telefon einen Punkt gefunden hatte, um zu unterstreichen, dass letztendlich die Bundesregierung höchst persönlich irgend etwas amtliches vor hatte und man deshalb nicht einfach auflegen darf. Irgendwann kam dann die entscheidende Frage: „Im Rahmen der Marktuntersuchung und zu Schulungszwecken schneiden wir hin und wieder einige Telefonate mit. Sie sind doch einverstanden, oder?“ Mit anderen Worten, wenn die etwas verkaufen wollen und eine Einverständniserklärung als Beweis benötigen, schalten die das Tonband im Zweifelsfall ein und dann war das zufällig der Mitschnitt. Also muss man gegensteuern: „Aber nein, ich bitte sogar darum. Schalten Sie den Mitschnitt doch bitte ein…“ – „Danke schön, also …“ Also DA muss man schon mal unterbrechen. Also fragte ich: „Läuft das Tonband denn jetzt?“
„Nein, das …“
„Dann schalten Sie es bitte ein. Ich bestehe sogar darauf.“
„In Ordnung, also es läuft.“
„Sicher?“
„Ja.“
„Also dieses Telefonat wird jetzt absolut mit geschnitten?“
„Ja.“
„Könnten Sie das noch einmal in einem ganzen Satz wiederholen?“
„Dieses Telefonat wird ab jetzt mitgeschnitten. Also …“
Stopp, erst muss ich natürlich an dieser Stelle ein paar Kleinigkeiten klar stellen, denn wenn das Telefonat hinterher als Beweis für irgend etwas herangezogen werden kann, muss es ja eindeutig sein, was ich will, und vor allen Dingen, was nicht.
„Moment! Möchten sie etwas verkaufen?“
„Ich verstehe jetzt nicht ganz…“
„Ob Sie hier am Telefon irgendwelche kostenpflichtigen Dienstleistungen anbieten?“
„Im Moment nicht… Also um auf das Thema…“
„Das sehe ich genauso, es ist sogar ein sehr zentrales Thema, finden Sie nicht? Keiner möchte gerne im Rahmen einer Umfrage ein Abo für eine sinnlose Zeitschrift haben. Deshalb sollten wir das gleich klären. Oder möchten Sie jetzt gerne eine Segelyachtzeitschrift abonnieren, weil Sie mit mir telefonieren? Immerhin haben Sie ja bei mir angerufen, also möchten Sie ja etwas von mir haben. Also, welches Abo möchten Sie denn haben?“
„Nein, ich möchte kein Abo haben… Also um…“
„Nun da haben wir ja das Problem gefunden. Sie möchten gerne etwas von mir haben und auf meine Frage, ob Sie etwas anbieten, das ich kaufen könnte, antworten Sie nur lapidar, dass sie im Moment nichts an zu bieten haben. Das schließt aber nicht aus, dass Sie darauf später noch einmal zurück kommen werden, und mir ungefragt etwas anbieten möchten. Also, was möchten Sie mir denn anbieten?“
„nun, derzeitig nichts, die Fragen gibt hier der Computer vor…“
„Also wissen Sie noch gar nicht, was Sie mir anbieten möchten, bevor Sie nicht ihren Computer gefragt haben? Dann erklären Sie mir doch bitte einmal, woher der Computer weiß, dass ich etwas benötige… Machen Sie das immer so, ich meine, anrufen und den Leuten erzählen, dass Sie gar nicht wissen, was Sie von ihnen wollen?“
„Nein, das ist eine Marktumfrage, die wir im Auftrag eines Kunden durchführen …“
„Ja, das habe ich schon verstanden, aber Sie müssen auch einmal meinen Standpunkt verstehen:
Sie rufen bei mir an, um mir Fragen zu stellen, auf dessen Basis ein Computer mir dann etwas zum Kauf anbieten will, von dem ich vorher gar nicht gewusst habe, dass ich es unbedingt brauche. Und die eigentliche Frage, ob ich generell per Telefon etwas kaufe, stellen Sie mir gar nicht. Und ohne diese Frage ist das Durchgehen eines Fragebobens über meinen Bedarf doch völlig am Ziel dieses Telefonats vorbei.
Oder sehe ich das falsch?“
„Ich möchte lediglich ein paar Fragen mit Ihnen durchgehen. Können wir dann beginnen?“
„Für welchen Kunden fragen Sie denn konkret?“
„Das steht hier nicht. Es ist eine anonyme Umfrage.“
„Aber diese Frage wird dann auch gestellt?“
„Welche Frage?“
„Na, ob ich überhaupt etwas am Telefon kaufe?“
„Das weiß ich nicht.“
„Aber Sie möchten mir schon etwas verkaufen?“
„Das habe ich nicht gesagt… also …“
„Also wird Ihr Computer dann sagen, was Sie mir verkaufen sollen? Ich kann mich da ja irren, aber benötigt man hierzu nicht personenbezogene Daten?“
„Das weiß ich nicht. Die Fragen tauchen hier einzeln auf und sollen beantwortet werden“
„Sie sitzen doch in einem Callcenter, und machen den Job bestimmt schon länger. Sie werden doch grundsätzlich wissen, welche Fragen so gestellt werden, oder nicht? Ich meine, Sie müssen sie ja zumindest vorlesen, und da bleibt so einiges hängen… – Oder sind Sie selbst der Computer?“
„???“
„Naja, vielleicht sind SIE ja der Computer selber, bei der ganzen modernen Technik und so weiß man ja mittlerweile wirklich nicht mehr, wer was ist und wer nicht!“
Langsam wurde die Stimme am Telefon ungeduldig: „Möchten Sie die Fragen nicht beantworten?“
„Nun, DAS kann ich so gar nicht abwägen, da Sie ja bislang gar keine Frage gestellt haben. Nicht einmal die simple Frage, ob ich etwas kaufen will, konnten Sie mir stellen, da Sie nicht wissen, ob Ihr Computer Ihnen diese Frage stellen wird. Und alles, worum ich Sie gebeten habe, ist eine persönliche Meinung bezüglich der Frage, ob Ihr Computer rein technisch diese Frage stellen könnte, wenn es relevant wird. Sie sitzen doch den ganzen Tag vor dem Ding, da müssten Sie sich schon die eine oder andere Frage gemerkt haben.“
„Ja, der Computer fragt mitunter auch nach Ihrer Einwilligung, sofern es notwendig ist. Da geht es aber dann eher um die anonymisierte Weitergabe von Daten zu Forschungszwecken. Also … wie viele Personen leben derzeitig in Ihrem Haushalt?“
„Sie meinen jetzt gerade?“
„ja.“
„Ich bin alleine.“
„Und wie alt sind Sie?“
„48“
„Ihr Beruf…“
„Surrealistischer Maler.“
„Kommen wir zur ersten Frage über Waschmittelmarken …
„Brauche ich nicht als Abo.“
„Ähm, das war nicht die Frage…“
„Weiß ich doch, ich wollte es nur klarstellen. Natürlich kenne ich Waschmittelmarken. Gibt sehr unterschiedliche für Kunststoffe und Metall, für Teller und Wäsche… “
„… für Wäsche.“
„Kenne ich, und ich bin damit auch zufrieden. Wollen Sie mir jetzt erzählen, mein Waschmittel sei schlecht?“
„kennen Sie Lenor?“
„Ich weiß nicht, ob ich diese Frage jetzt politisch korrekt beantworten kann,…“
„???“
„Naja, Lenkbarer Einheimischer natürlich ohne Rechte … finden Sie diese Frage im Telefonmarketing politisch angebracht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Bundesministerium für Arbeit derartige Fragen gutheißen kann.“
„*hüstel* die Waschmittelmarke…“
„Ach so, ja natürlich kenne ich das Waschmittel. Ist, glaube ich, von Henkel, oder?“
„Benutzen Sie es?“
„Wie, Sie fragen mich, ob ich einen LEnoR benutze? Wollen Sie mir doch etwas politisches hier unterstellen, oder wie soll ich das jetzt verstehen? Das finde ich wirklich nicht sehr nett von Ihnen.“
„Das Waschmittel!“
„Ach so, da habe ich Sie falsch verstanden, ich entschuldige mich. Nein, Lenor ist dieses blaue Zeug, das nutzen wir nicht. Wir haben so ein weißes Pulver, aber da müsste ich meine Frau fragen, wo sie das immer her hat.“
„Aber Sie haben doch eben gesagt, dass Sie alleine leben!?“
„Nein, Sie haben gefragt, wie viele Personen jetzt gerade in meinem Haushalt leben, und das bin korrekterweise ich alleine. Wie viele Personen es heute Abend sein werden, weiß ich jetzt leider auch nicht, da die Kinder Ferien haben und nicht zwangsläufig nur zu Hause schlafen, da sie viele Freunde haben, bei denen sie auch übernachten. Aber das können wir gerne nachher noch korrigieren. Um Zeit zu sparen, schlage ich vor, das wir das nachher machen, wenn alle Fragen beantwortet wurden und wir die zusammen noch einmal durchgehen. Ich möchte ja nicht, dass Sie etwas falsches in Ihrem Computer stehen haben.
Sagen Sie, wie viele Fagen sind das denn, die wir noch zusammen erörtern werden?“
An der Stelle klickte es in der Leitung und ich war mit meinem Telefon alleine. Ob die Dame aufgelegt hat, oder aber der Computer die Verbindung unterbrach, werde ich wohl niemals in meinem Leben herausfinden. Und dabei hätte ich so gerne gewusst, ob Lenor besser als unser weißes Pulver ist, dass ich so gerne nehme…
Aber eines habe ich durch diese Begegnung gelernt:
Es ist wirklich kein Wunder, dass alle genervt reagieren, wenn Marktforschungsunternehmen anrufen, „nur um ein paar Fragen zu stellen“:
Diese Fragesteller sind wirklich anstrengende Zeitgenossen …