„Das ist doch ein Damenboard… „
So … willkommen zurück zum Thema Snowboarding, Teil 2 aus der Sicht eines echten Anfängers, …
Heute geht es um eins der filigransten und „Shitstorm-intensivsten“ Themen, mit denen man sich als Anfänger tatsächlich irgendwie auseinandersetzen muss. Also, bevor ihr weiterlest, nein, dieser Beitrag hat tatsächlich wenig bis gar nix mit Sexismus zu tun, vielmehr ist diese Frage tatsächlich bei der Fülle an verfügbaren sinnvollen, sinnlosen und subjektiven Meinungen und Informationen, denen man im Internet begegnet, sehr berechtigt.
Hierzu muss man mal einen kleinen (und vereinfachten) Blick in die Geschichte des Snowboards werfen:
- Die ersten serienreifen Snowboards kamen so grob in den 1960er Jahren auf, und waren eher exzentrische Spielarten für Spaß im Schnee.
- in den 1980er Jahren wurde das Snowboard irgendwann zunächst eine eigene Sportart und gewann an Popularität, und war ähnlich skeptisch wie andere „neue Trendsportarten“
Als diese Sportart populär wurde und in der damalige Jugendkultur als „rebellische neue Sportart“ Einzug erhielt, kam die stereotypische Betrachtungsweise der 80er Jahre ins Spiel, und prägte auch maßgeblich die Entwicklung mit:
Snowboarden war eng mit der Jugendkultur verbunden, die in den 80ern oft durch Stereotypen meist älterer Generationen geprägt war. Männliche Snowboarder wurden daher oft als abenteuerlustig, risikobereit und unabhängig dargestellt, während weibliche Snowboarder eher in der wintersportlich-attraktiven Rolle als eine Art „verspieltes Snow Bunny“ dargestellt wurde – Fairerweise könnte man argumentieren, dass hier eher bereits bestehende typische Stereotypen, die von den etablierten Medien und der Gesellschaft im Allgemeinen geprägt wurden, durch die Snowboardindustrie aufgegriffen wurden, da die Etablierung eines neuen Images vielleicht innovativ, aber auch mit erheblichen Risiken verbunden war:
Das lag unter anderem daran, dass die Snowboardindustrie noch jung war und versuchte, eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen. Die einfache Unterscheidung nach Geschlecht und den dazugehörigen damals aktuellen Klischees war eine bequeme Möglichkeit, Produkte zu kategorisieren und zu vermarkten.
Da die Materialien noch nicht so zur Verfügung standen, ging entsprechend gingen Marketing und Entwicklung zunächst einmal Hand in Hand:
Leichtere und weichere Boards für Frauen:
Um dem Bild der „Snow Bunny“ gerecht zu werden, wurden Snowboards für Frauen oft leichter und weicher konzipiert. Das suggerierte im Umkehrschluss jedoch, dass Frauen weniger Kraft und technische Fähigkeiten bräuchten, um Spaß auf dem Schnee zu haben.
Weniger Fokus auf Performance:
Die Entwicklung von High-Performance-Boards, die für anspruchsvolle Tricks und Fahrten im Gelände ausgelegt waren, konzentrierte sich in erster Linie auf die Bedürfnisse männlicher Snowboarder. Frauen wurden oft mit „Einsteigermodellen“ abgespeist.
Farben und Designs:
Auch die Gestaltung von Snowboards war stark geschlechtsspezifisch. Boards für Frauen waren oft in pastellfarbenen Tönen gehalten und mit floralen Mustern oder anderen verspielten Elementen verziert, während „Männerboards“ eher in dunklen Farben und mit einem schlichten Design daherkamen. Diese Zuordnung von Farben und Mustern zu bestimmten Geschlechtern war – wie bereits beschrieben – natürlich kulturell bedingt und unterlag Veränderungen und Modeerscheinungen.
(Interessanterweise gab es hier von Anfang an bereits innerhalb der seit den 80er Jahren stetig wachsenden Snowboard-Community immer wieder Stimmen, die diese eigentlich produktions- und marketingtechnische Entscheidung kritisierten, und das im Lauf der Jahre mit sehr viel Erfolg. Heute sind die Designmöglichkeiten um einiges vielfältiger geworden und es gibt eine große Akzeptanz für individuelle Präferenzen, und zwar unabhängig vom Geschlecht.)
Seitdem hat sich unglaublich viel getan
Es gab mehrere gesellschaftliche Doktrinwechsel, die parallel zu oder direkt mit der technischen Entwicklung völlig neue Möglichkeiten eröffneten, und mit fortschreitender Professionalisierung die Sportart Snowboarden erwachsen wurde:
Technische Weiterentwicklungen:
Es gibt zahlreiche neue Materialien, mit denen Hersteller „Gewichtsprobleme“ und die „Festigkeit“ in den Griff bekamen. Befeuert durch die weitere Verbreitung als echte Wintersportart wurde es auch immer leichter, die individuellen Anforderungen zu erforschen und die Boards technisch eher an den Einsatzzweck auszurichten, und weniger an einem stereotypischen Gesellschaftsbild.
Differenzierte Betrachtungsweisen
Die Verbreitung des Snowboards und die Einführung unterschiedlicher sportlicher Disziplinen mit jeweils ganz individuellen Anforderungen, wie beispielsweise die hohe Drehfreudigkeit für Freestyle oder die Stabilität im Tiefschnee für Freeride, führten zunehmend weg von stereotypen Vorstellungen über Geschlechterrollen hin zu einer individuellen Betrachtung. Die Relation zwischen körperlichen Eigenschaften, fahrerischen Können und gewünschtem Einsatzzweck rückte in den Mittelpunkt.
Die hohe Verbreitung und die unterschiedlichen Erfahrungsstufen führten dazu, dass der persönliche Fahrstil in den Mittelpunkt rückte und die ’stereotype Methodik‘ bei der Auswahl des Boards weitgehend beseitigt wurde.
Individualisierung und Diversität innerhalb der Gesellschaft
Die Individualisierung und Diversität innerhalb der Gesellschaft haben auch das Selbstbild beim Dekor grundlegend verändert. Was in den 80ern noch als unkonventionell galt – beispielsweise knallige Farben, ausgefallene Muster oder Kombinationen von Stilen, die zuvor als unpassend galten – ist heute Ausdruck einer selbstbewussten Persönlichkeit:
Die Vielfalt an verfügbaren Dekoren ist inzwischen ein gut integrierter Spiegel der wachsenden Akzeptanz individueller Lebensentwürfe. Soziale Medien haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt, indem sie es Menschen ermöglichen, ihre persönlichen Stilwelten zu präsentieren und sich von anderen inspirieren zu lassen.
Das Dekor ist heute weniger ein Mittel zur Konformität, sondern vielmehr ein Ausdruck von Lebensfreude und einer individuellen Geschichte.
Was am Ende wirklich entscheidet…
Während sich die modischen Aspekte und die gesellschaftlichen Vorstellungen über das Snowboarden im Laufe der Zeit stark verändert haben, bleiben die individuellen körperlichen Voraussetzungen eine Konstante. Körpergröße, Gewicht und Schuhgröße sind wichtige Faktoren, die bei der Auswahl eines Snowboards berücksichtigt werden müssen.
Doch auch wenn diese Parameter eine gewisse Orientierung bieten, ist die letztendliche Entscheidung für ein Board immer auch eine Frage des persönlichen Geschmacks und des gewünschten Fahrgefühls.
Denn jedes Snowboard ist so individuell wie sein Fahrer.