Zwischen Furcht und Faszination
Der erste Teil unseres Streifzugs durch die Welt der Künstlichen Intelligenz beleuchtete das enorme disruptive Potenzial dieser Technologie. Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Und so wundert es nicht, dass bei vielen Menschen, die die aktuellen Medienberichte verfolgen, die Faszination von einem tief sitzenden Gefühl der Angst überschattet wird.
Diese Furcht ist keineswegs unbegründet. Sie speist sich aus der Geschwindigkeit, mit der KI-gestützte Systeme in unseren Alltag und vor allem in unsere Arbeitswelt eindringen. Ein prominentes Beispiel dafür liefert die Automobilindustrie:
Konzerne setzen zunehmend auf hoch autonome, teils menschenähnliche Robotersysteme und hochentwickelte Assistenzsysteme, die Tätigkeiten in der Fertigung, Logistik und sogar im autonomen Fahren übernehmen. Die Vision von Fließbändern, die fast vollständig von intelligenten Maschinen bestückt werden, wird zur Realität. Wenn Roboter, die uns nicht nur in der Geschwindigkeit, sondern auch in der Komplexität der Aufgabenbearbeitung überlegen sind, menschliche Arbeitskräfte ersetzen, steht für viele die Frage im Raum: Was bleibt für uns?
Ein anderes Beispiel – um den Weg zurück zu KI zu finden – wäre ein spanisches Unternehmen, welches mit seinen virtuellen Models und Influencern auf sich aufmerksam gemacht hat: Warum braucht man noch exklusive Models, wenn man virtuelle Models mit eigenständiger Persönlichkeit ins Rennen schicken kann, die ‚zig tausend Follower um sich scharen, denen das schlichtweg egal ist?
Wir sehen schon:
Der Horizont der Vorstellungskraft mag weit sein, doch die unmittelbare Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes – ja sogar der eigenen Existenz als solche – lässt die Sorge wachsen, wo man eine Grenze ziehen sollte oder muss.
Die Diskussion um den Wegfall von Arbeitsplätzen und die tiefgreifende Umwälzung der Industrie ist eine existenzielle, denn die Automatisierung macht langfristig Arbeitsplätze überflüssig, die viele Jahre gesichert galten. Das Geschichtsbuch lehrt uns jedoch, dass hierdurch auch zahlreiche neue Arbeitsplätze und Perspektiven entstehen, sobald der gesellschaftliche Fokus sich ändert.
- in diesem Fall: Es wird die symbiotische Kreativität gefördert, zurück bleibt nur, wer nicht bereit ist, sich mit dem “Neuen” auseinanderzusetzen.
Aber es gibt ja nicht nur diesen Aspekt:
Mit Hoffnung und Angst bindet man Menschen… Das Mantra der aktuellen Zeit heißt übrigens “Die KI-Blase wird platzen…” – Wie oft liest man das in den letzten Tagen und Wochen, mittlerweile schon seit Jahren in den Medien.
Die einzige Frage, die auf den Punkt gebracht, nie beantwortet wurde, ist , was ist denn die “KI-Blase”, da wird gerne geschwurbelt und um den heißen Brei herumgeredet.
Letztendlich wird “die KI-Blase” nicht platzen, weil “die KI-Blase” in dem Sinn nicht existiert. Die Technologie ist da, hochgradig entwickelt, und sie wird kontinuierlich erweitert, weil viele Dinge mit KI einfach in der modernen Zeit auch Sinn machen.
Was platzen wird, sind die Träume Erwartungshaltungen von BWL-Experten, die sich eine rosige Zukunft voller Geldbeutel versprachen, und feststellen, dass man “so” gesehen mit der “KI-Blase” keine Lizenz zum Gelddrucken gefunden hat. Was platzen wird, sind die ganzen auf Pump gegründeten Unternehmen, die alles Geld verbrannt haben auf der Suche nach einer Daseinsberechtigung. Ja, das wird viele Arbeitsplätze kosten, fairerweise muss man aber auch sagen: Wenn man viele Arbeitsplätze auf Basis eines ohnehin eigentlich toten Pferdes quasi aus dem Nichts schafft, dann werden die vielen schönen Arbeitsplätze wieder vergehen, sobald das Pferd überraschenderweise umfällt und – tot ist.
Hier zeigt sich eine Analogie zu VR:
- 1995 blablabla – Technologie der Zukunft
- 2003 blablabla – Technologie der Zukunft
- 2007 blablabla – Technologie der Zukunft
- 2012 blablabla – […]
- 2025 Die Technologie ist da, akzeptiert, sie ist genial und zeigt, was möglich ist.
Die breite Masse weiss nicht so richtig, was man damit machen soll.
Damit ist die Kontroverse nicht beendet…
Eine weitere parallel laufende Debatte, die die Gemüter in Foren und Social Media besonders erhitzt, dreht sich um einen Bereich, den viele lange Zeit als ureigenste Domäne des Menschen betrachtet haben:
KI-Kunst zwischen Partizipation und Bedrohung
Hier offenbart sich die Kunst einer nie dagewesenen Demokratisierung der künstlerischen Revolution in einem besonders kontroversen Spannungsfeld.
Einerseits erlaubt KI eine völlig neue Dimension des Schaffens:
Mit einfachen Textanweisungen – sogenannten Prompts – kann nun praktisch jeder Mensch, unabhängig von Talent oder jahrelanger Übung, beeindruckende, ästhetisch anspruchsvolle Bilder, Designs oder sogar Musikwerke generieren. Faszinierend dabei ist eigentlich, dass die künstliche Intelligenz das benötigte Know-How mehr oder weniger im Hintergrund abnimmt, wie ein Grafiktools zu bedienen sind.
Was vorher einen hochgradig ausgebildeter Digital Artist mit viel Kleinarbeit machen konnte, fällt jetzt in die Hände kreativer „Normalos“.
Es ist eine faszinierende Form der Partizipation, die es erlaubt, der eigenen Kreativität auf Knopfdruck freien Lauf zu lassen, komplexe Ideen zu visualisieren und bestehende Bilder mühelos zu kopieren, umzuwandeln, weiterzuentwickeln oder sogar etwas ganz neues auf der Basis zu erschaffen, was mit dem “Original” nichts mehr zu tun hat oder nur in Nuancen daran erinnert. Man könnte argumentieren: KI macht Kunst für alle zugänglich und eröffnet einen neuen Horizont der Ausdrucksformen.
Andererseits blicken traditionelle Künstler und Illustratoren eher mit großer Sorge und Frust auf diese Entwicklung. Ihre Ängste sind tief verwurzelt und verständlich:
- Der Wert der Handarbeit: Die Technologie und Automatisierung stellen den Wert der langwierigen, mühsamen „allgemeinen Handarbeit“ infrage. Wenn eine KI ein Bild im Stil eines etablierten Künstlers in Sekundenbruchteilen erzeugen kann, wofür braucht es dann noch den Menschen, der Stunden oder Tage dafür benötigt – Geduld ist in der heutigen Gesellschaft sowieso Mangelware, wenn alles “sofort” verfügbar ist.
Berechtigter Einwand. Auf der anderen Seite gibt es auch viele Möglichkeiten, bei der KI sehr hilfreich ist. Wenn ein Artist zuvor ein Projekt mit seinen Kunden in monatelanger Kleinarbeit die Blaupausen entwickeln musste, bietet KI ungeahnte Möglichkeiten, ein Projekt initial richtig vorzustellen. Die unwillkommenen Überraschungen im Sinne von “so habe ich mir das nicht vorgestellt” entfallen.
Das spart Geld, Zeit und Nerven und hilft auch, etwaige Enttäuschungen zu vermeiden.
- Die Bedrohung der Existenz: Freelancer, Concept Artists und Illustratoren sehen ihre berufliche Existenz bedroht. Kleinere Aufträge oder bebilderte Artikel (wie dieser) könnten künftig vollständig durch KI-Tools ersetzt werden, da diese schneller und kostengünstiger liefern.
Das Argument ist schon realistischer – und betrifft viele Bereiche im Kreativsektor. KI läuft nebenher oder im Hintergrund, und hat zum Beispiel Übersetzungsbüros und Illustratoren in echte Schwierigkeiten gebracht. Auch hier muss man differenzieren: Es gibt auch viele Bereiche im Kreativsektor, die von KI profitieren, einfach, weil die Vorplanung von Kunstprojekten erleichtert wird.
- Die Urheberrechtsfrage: Die Tatsache, dass viele KI-Modelle mit riesigen Mengen an urheberrechtlich geschützten Werken trainiert wurden, ohne dass die ursprünglichen Künstler angemessen entschädigt oder gefragt wurden, empfinden viele als Diebstahl an geistigem Eigentum.
Hier wird es philosophisch… wo fängt geistiges Eigentum bei KI-generierten Inhalt an? In Kunstforen und Künstlergemeinschaften wird diese Debatte mit Leidenschaft geführt.
Hier stehen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber:
Die Befürworter feiern die KI als revolutionäres Werkzeug und Katalysator für neue Ästhetiken. Die Gegner sehen darin einen kalten Eindringling, der die Seele der Kunst – den menschlichen Prozess, die Absicht und die mühsame Beherrschung des Handwerks – auslöscht.
Der Kernpunkt aller Debatten ist dabei meistens sehr ähnlich:
Verändert KI lediglich das Werkzeug (wie einst die Ölfarbe, die Fotografie oder die digitale Malerei), oder verändert sie die Definition von Kunst und Künstler selbst?
Die Urheberrechtsverletzung ist dabei eine Frage für sich:
Das hört man immer wieder: “Alles, was du machst ist nur geklaut, weil … naja die Trainingsdaten aus der Anfangszeit sind alles gestohlene Kreativinhalte”.
Ja, das mag für den Anfang der KI gelten, und nein, das ist zu kurz gedacht, denn die “Fair Use – Doktrin” griff in der Anfangszeit, als in einem Labor weit weg von irgendeinem realistischen Geschäftsmodell experimentiert wurde. Ferner ist das Argument bei heutigen Systemen schon länger nicht mehr haltbar – KI-Systeme verstehen inzwischen, was ein Creator von ihr möchte und können es mal mehr mal weniger gekonnt umsetzen, aber “einfach 3 Bilder mergen und voila, fertig ist dein Bild” ist schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, die KI kann kreative Ideen nuanciert und angepasst umsetzen, und bietet damit die Möglichkeit, mit der sich ein kreativer Kopf aus der Zwangslage, nicht gestalterisch umsetzen zu können, was er umsetzen möchte, zu befreien:
Wer sich viele 1000 Bilder generiert, und immer weiter anpasst, neu anfängt, aus den Fehlern lernt, und entwickelt, sich ein verbindliches Design-Set erstellt, ja, ganze Geschichten mit diesen Protagonisten schreibt und dokumentiert, Persönlichkeiten ausgearbeitet, und den Figuren am Ende “Leben” einhaucht – hat er denn wirklich Urheberschutz-Verletzungen begangen?
Diese emotionale und subjektive Diskussion lässt sich nur schwer mit juristischen Floskeln fassen, denn die Grenze ist fließend und eine Debatte endet oft in einem philosophischen Streit, bei der Meinungen und Doktrinen aufeinandertreffen, bei denen keine Seite wirklich recht oder unrecht hat… und die eigentliche Faktenlage gekonnt umgeht:
Die Sachlage sieht etwas anders aus als in Foren immer wieder dargestellt:
Man muss sehr eindeutig zwischen dem bildgebenden Verfahren und der Kreativität, also dem “dominanten menschlichen Faktor”, unterscheiden. Es kann sehr wohl “KI-Generiert” sein und bedarf keiner weiteren Kennzeichnung, sofern eindeutig der menschlich-kreative Teil überwiegt – da gibt es tatsächlich letztendlich keine Grauzonen, wenn man sich in den sozialen Medien entsprechend gekonnt aufgestellt hat:
Was die Momentaufnahme eines Bilds von außen betrachtet nicht zeigt, ist, eine KI als Mittel zur Illustration zu verwenden, die nichts mit dem kreativen Schaffensprozess zu tun hat.
Übrigens,…
Die Forderung, dass KI-gestützter Inhalt als solcher markiert sein muss, zielt dabei eher auf die Tatsache, dass moderne Bildgeneratoren Tierverhalten oder Persönlichkeiten öffentlichen Lebens täuschend echt nachbilden und verfälschen können – sogenannte Deep Fakes – und damit wirklich Schaden anrichten kann, weniger Comic-Zeichnungen, die eindeutig als solche zu erkennen sind, und zeigen eindrucksvoll, wie sich wenig Wissen zu erstaunlich viel Meinung gesellt….
Die Technologie wartet nicht auf unsere Antworten.
Während wir noch über den Wert eines digitalen Pinsels diskutieren, überbieten sich die Tech-Giganten nahezu täglich mit neuen Funktionen. Jüngste Tech-Demos zeigen, dass KI-Systeme mittlerweile in der Lage sind, ganze, komplexe Welten minutenlang in Echtzeit zu generieren und „am Leben zu halten“.
Die Grenze zwischen kreativem Input und autonomer Schöpfung verschwimmt rapide.
Wir stehen erst am Anfang einer technologischen Revolution, deren exponentielles Wachstum und dessen Ende – oder sogar deren mögliche Gipfel – gar nicht absehbar ist. Die Frage, die uns dabei stellen müssen, ist also nicht nur, wie wir die Partizipation begrüßen können, ohne die Existenzängste zu ignorieren, sondern vor allem:
Welche Rolle bleibt dem Menschen, wenn der Horizont der Vorstellungskraft von einer künstlichen Intelligenz, die alles Wissen in sich vereint, übertroffen wird?
