Eben gerade komme ich aus einem Elektrofachmarkt, wo ich mir ein neues Videospiel gekauft habe. Das ist nichts ungewöhnliches, denn ich bin ein Spielkind und neige durchaus immer wieder dazu, mein Geld für derart sinnlose Dinge zu verplempern. Ich stehe dazu, warum auch nicht, dieses Computerspiele-sind-die-Achse-des-Bösen – Diskutierer der Politiker, die mal wieder von ihrer absoluten Inkompetenz ablenken müssen, oder weil gerade Wahl ist, naja … lassen wir es, sonst rege ich mich nur wieder auf.
Beschränke ich mich lieber auf meinen eigenen und sehr kurzfristig eingeschränkten Geist: Ab nach Hause, Spielkonsole anschalten und auf geht es in diesen sinnlosen Zeitvertreib. Völlig in Gedanken und voller Vorfreude auf ein Spiel, das bestimmt nicht so aus sieht wie die hochglanzpolierte Verpackung es verspricht, steuere ich Zielsicher zum Ausgang und bekomme so nicht mit, wie zwei Herrchen meines Alters heimlich Flankenposition einnehmen und mich verfolgen. Nein, es sind nicht Ladendetektive, die glaubten, ich hätte gar zu viel Marmelade gegessen und entsprechend klebrige Finger gehabt, es ist schlimmer.
Aber lasst mich erzählen, was geschah:
Ich laufe den Gang entlang und plötzlich macht es irgendwie ein gefühltes pumpf, als ein Hochglanzbild in der Grösse von etwa Din-A-4 vor der Nase klebt. Eine ehrfürchtige Stimme fragt links von mir: „Kennen Sie das?“ Neugierig betrachte ich das Bild: „Hm,… eine Giraffe vielleicht? Ich kann mich allerdings auch täuschen.“ Da lacht es von rechts: „Der Witz war gut!“ ich bin zwar anderer Meinung, aber offensichtlich sollte das Lob auf einen geglückten Witz eigentlich eher bezwecken, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Und da kam er dann auch zum Glück auf den Punkt: „Hi, wir sind von dem Verein für Bergrettung durch Hubschrauber, kurz VfBdH.“ Ich freue mich ja, dass der in so einen Verein ist, aber was zum Henker macht der mitten in Hamburg in einem Einkaufszentrum und nicht in den Bergen. Naja, vielleicht wollen sie ja in den Harburger Müllbergen jetzt eine Diensstelle auf machen, für den Fall, dass mal jemand die 100m nicht mehr runter kommt. Dummerweise bin ich ja neugierig: „Aha, und was hat das mit mir zu tun?“ Auf diese Antwort hatte er wohl schon gelauert, denn jetzt holte sein wichtigstes Gesicht raus: „Dieser Hubschrauber ist einer der modernsten in ganz Deutschland. Und er ist im Besitz des VfBdH! Und nicht nur das, dieser Hubschrauber ist regelmässig in einer Serie im Fernsehen!“
Ja, das ist ein Totschlagargument, nur frage ich mich, was der damit erschlagen wollte. Mein Interesse hat auf jedenfall einen Volltreffer erleiden müssen und liegt nun in den letzten Zuckungen: „Aha, und was hat das mit mir zu tun?“ Das der eine Spende haben will, hab ich schon durchaus durchschaut, nur die einen halten eine Dose hin, die anderen fragen, ob man nicht in einen Förderverein oder so was eintreten möchte. Doch dieser hier war anders, und das hat mein Interesse und vor allem meine Neugier neu belebt: „Wir bieten Ihnen eine kostenlose Rückholung aus den kambodtschanischen Bergen an.“
Ja, aus den kambodtschanischen Bergen, und das in Hamburg: „Äh…?“ „Naja, es könnte doch sein, dass sie dorthin reisen und dann krank werden. Dann kümmern wir uns um den Rücktransport. Sie müssen dazu nur in unseren Verin eintreten!“ Und damit hielt er mir das Vereinsformular hin, damit ich wohl völlig irritiert erst einmal unterschreibe oder so. „ich verstehe nicht so ganz, ich habe gar nicht vor, nach Kambodtscha zum Bergsteigen zu fliegen. Und wenn, dann hätte ich für zwei Euro eine Reiseversicherung bei Buchung abgeschlossen.“, gab ich ehrlich zu bedenken. „Naja, das war ja auch nur ein Beispiel, aber wenn sie zum Beispiel beim Bergsteigen in den Alpen in Not geraten, dann sind sie bei uns Vereinsmitglied und werden dann günstiger gerettet.“ Irgendwie hat der wohl fünf grundlegende Sachlagen noch nicht geschnallt:
A. Ich wohne im Flachland.
B. Ich wohne in einer Großstadt.
C. Ich bin kein Bersgsteiger.
D. Ich interessiere mich gar nicht für das Bergsteigen.
E. Die Berge sind irgendwo so 800km weit im Süden oder so ähnlich.
Es mag ja wirklich Bergsteiger im hohen Norden geben, und diese Serie mag auch viele Fans haben, aber das dürfte mitten in einem Hamburger Schickeria-Einkaufszentrum doch suboptimal sein, für irgend so nen Luftquirl Werbung zu machen, der wahrscheinlich auch noch für richtig viel Geld an private Sender für Action-Serien vermietet wird. Nun gut, versuche ich, die Punkte meiner Liste geschickt in das Spiel zu bringen: „Sie wissen schon, dass hier im Norden Flachland ist und ein Bergrettungshubschrauber doch sehr sinnlos, da er da stationiert ist, wo Berge sind? Das nutzt mir in der Nordheide ehrlich gesagt nichts, das ihr Verein in den Alpen so ein Ding hat…“ – „Ja, aber Sie KÖNNTEN da unten auch mal in Bergnot geraten.“ Nun ja, ich kann mir auch einen Ring durch die Nase ziehen und nackt um einen VW Polo tanzen, wärend ich eine Ziege opfer, ich gebe ja zu, die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich gering, aber ich KÖNNTE, da hat er ja durchaus recht… „Ich bin aber gar kein Bergsteiger, von daher erübrigt sich das doch. Und bevor Sie jetzt damit anfangen, ich habe es auch nicht wirklich vor zu werden, das ist nämlich nicht mein Interessengebiet.“ „In Ordnung, aber was machen Sie, wenn sie mitten im Mittelgebirge in einem dichten Wald sich verlaufen haben und dann passiert etwas, und sie haben keinen Handy-Empfang?“ fragte er mich schlagfertig.
Ja, das hat er tatsächlich gefragt, …
Was macht man mitten in einem dichten Wald, wenn man kein Handyempfang hat aber dafür einem Verein angehört, der irgendwo einen Hubschrauber an einen Drehort stehen hat, weil der gerade gebucht ist?
Ich denke, man macht sich darüber Gedanken, dass man wohl ein echtes Problem hat, und das so eine bekloppte Versicherung durch einen Verein völliger Stuss ist, da die gar nicht für zuständig sind.
Da ich nicht so ganz wusste, wie ich ihm diesen Sachverhalt nahe bringen soll, habe ich einfach eine andere Lösung gefunden:
„Keine Ahnung, was passiert denn dann?“, fragte ich also. „Dann werden Sie gesucht, sobald Sie vermisst werden!“, kam die Antwort. Na Halleluja, das ist eine Erkenntnis, über die man wirklich noch einmal nachdenken muss:
Also:
Gesetzt dem Fall, dass man mitten in einem Mittelgebirge, in einem dichten Wald, ohne Handy-Anbindung wegen einem Funkloch, in Schwierigkeiten kommt, und vorher jemandem Bescheid gesagt hat, und man vermisst wird, dann wird man in dieser Gegend sogar gesucht.
Und damit man ein gutes Gewissen dabei hat, muß man eine Vereinsversicherung haben, die auf der anderen Seite Deutschlands mit dem Geld einen Bergwachthubschrauber betreibt.
Mir widerfuhr wahre Belichtung!
Und jetzt weiss ich, was ich zu tun habe:
Ich gehe nach Hause und spiele ein Videospiel, das bestimmt nicht so schick aus sieht wie die Verpackung…
War doch logisch, oder?