In den letzten Jahren haben sich zahlreiche neuartige Trendsportarten entwickelt. Zuletzt bekannt geworden ist das „Real Life Mermaiding“, bei der die Teilnehmer alles unternehmen, eine echte Meerjungfrau zu werden und als solche zu leben. Damit könnte eine wundervolle, mystische und sehr schöne Gestalt endlich aus den großen Zooaquarien dieser Welt befreit werden und ihnen einen Weg zurück in die freie Wildbahn geebnet werden.
Und wir freuen uns:
Nachdem in der Renaissance-Zeit diese wundervollen Wesen eher als asoziale, selbstgerechte und äußerst rachsüchtige Zippen und unberechenbar agressive Kreaturen des Meeres – wohl auf Grund eines Missverständnisses bei Serie von misslungenen PR-Kampagnen zur Rettung von Schiffbrüchigen – im wahrsten Sinne des Wortes unter das Messer kamen, waren sie nämlich innerhalb kürzester Zeit von der Bildfläche verschwunden. Es wäre schön, wenn die Weltmeere endlich wieder etwas bunter werden und verspielte Meerjungfrauen am Strand beobachtet werden könnten.
Wie es jedoch immer so ist: alles hat seine Schattenseiten.
Über diesen eigentlich sehr erfreulichen Trend zu mehr Farbe und Spaß in der Welt äußerte sich vor allem bei dem Vorstand des eher unbekannten Sportanglervereins „Angelbuben Klein-Grützenhoven e.V.“ mit heftiger Kritik.
Grund genug für Ars Balistica, der Sache einmal nach zu gehen, und deshalb haben wir uns einen Termin bei Herman Bomelheinz, dem amtierenden Vorsitzenden des Vereins gemacht:
AB: Herr Bomelheinz, wie kommt es, dass Sie diesen Trend so extrem ablehnen.
Bomelheinz: Also das kann man so nicht sagen. Hier liegt eher ein Art von Grundmissverständnis vor.
AB: Nun, Sie haben sich da sehr unkonventionell ausgedrückt.
Bomelheinz: Ja, stimmt schon, aber das ist total aus dem Kontext gerissen worden und via Twitter einmal um die Welt gezogen. Tatsächlich gemeint habe ich etwas ganz anderes.
AB: Was haben Sie denn gemeint?
Bomellheinz: Nun, ich finde, Fische und Fischerei ist ein ernsthaftes Thema, dass nicht mit Spaß verwechselt werden darf.
AB: Ja … und?
Bomelheinz: Nun, ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Kennen Sie das Gefühl, stundenlang mit einem Stock und sich selbst regungslos auf einem Boot zu sitzen, und letztendlich einen Fisch zu beobachten, welcher sich langsam den Köder nähert? Dieser Spannungsmoment ist unglaublich! Naja und dank dieses Real Life Mermaiding eiert plötzlich so eine Zippe um das Boot und … BUPF! … Alle Fische sind weg. Wie würde es Ihnen da gehen? Angler sind da zu Rech erst einmal verärgert.
AB: Naja, die Reaktion ist da schon verständlich.
Bomelheinz: Genau, aber wir haben uns nach dem ersten verständlichen Ärger natürlich etwas neues Überlegt und in unserer Satzung die Meerjungfrauen zu Fischen deklariert. Und damit war das Problem eigentlich sehr schnell beseitigt, da anders als Fische Meerjungfrauen recht zutraulich sind.
AB: Sie haben also mit Ihren Vereinsmitgliedern gezielt Jagd auf Meerjungfrauen gemacht?
Bomelheinz: Aber nein, wir sind ein ANGEL- Verein und keine Jäger. Wir haben sie unter anderem weggefischt.
AB: Und dann… ?
Bomelheinz: Naja, da der Fischschwanz bei Meerjungfrauen erfreulich groß ist, nun, wir haben sie an die Sushi-Bar um die Ecke verkauft.
AB: Das ich das richtig verstehe … Sie haben die Meerjungfrau … Die hätten das doch sehen müssen?
Bomelheinz: Aber nein, da haben wir natürlich im Vorfeld drann gedacht. Wir haben natürlich nur die fischerne Hälfte verkauft. Und spätestens seit wir das Geld daraus bekommen haben, naja haben wir uns sogar über diese suspekte Meerjungfrauenschule auf der anderen Seite unseres Anglersees richtig gefreut.
AB: Sie haben nur den Schwanz verkauft? Wie haben Sie …
Bomelheinz: Also für die Erste haben wir noch ganz klassisch ein Beil und eine Motorsäge benutzt, aber später dann haben wir extra für Meerjungfrauen eine Kreissäge mit Spritzschutz umgerüstet.
AB: Ja, aber sie können doch nicht? Wie haben … was machen Sie mit der anderen Hälfte?
Bomelheinz: Das ethische Problem dahinter haben wir natürlich schon bei der ersten Meerjungfrau erkannt:
Sobald der Fischanteil weg ist, ist es zwar nur ein halber, aber immerhin ein ganzer Mensch. Wir haben an dieser Stelle nur unsere Satzung etwas anpassen müssen und betrachten jetzt das Wesen als Ganzes, und zwar vor der Verarbeitung. Und das Problem war gelöst.
AB: Das ist krank …
Bomelheinz: Nein, das ist die Nahrungskette, Natur ist nun einmal brutal. Und mal ganz ehrlich, wer sich selbst zum Fisch macht, riskiert nun einmal einen Angler, der es auf seine Gräten abgesehen hat. Wir haben hier lediglich eine interessante Marktlücke in der örtlichen Versorgung mit Meeresfrüchten gefunden.
AB: Aber das sind auch keine echten Meerjungfrauen?!
Bomelheinz: Ist uns auch aufgefallen, in einigen nicht bestätigten Fällen soll beim Sägen der Schwanz aus Silikon bestehen. Da sehen Sie aber mal ganz ehrlich, wie Meerjungfrauen drauf sind. Da werden unschuldige Landbewohner drauf gebracht, sich einen künstlichen Fischschwanz an zu legen und BUMM:
Wir sind hier die Bösen!
Aber das halten wir da ehrlich gesagt ähnlich wie die Schokoladenhersteller.
AB: Was hat das mit Schokolade zu tun?
Bomelheinz: Nun, was glauben Sie denn, wie viele unschuldige Käfer, die sich von der Kakaobohne ernähren, aus Versehen mit in der Schokolade landen? Da kräht aber letztendlich kein Hahn nacht, und hier ist es nicht anders. Vernünftig filetiert und liebevoll gewürzt merkt es doch kaum einer. Und das hat natürlich aus betriebswirtschaftlicher Sicht hochinteressante Perspektiven…
AB: Da hoffen wir inständig, dass der Trend bald abebbt und Meerjungfrauen zu selten werden, so dass sich das nicht mehr lohnt.
Bomelheinz: Wie gesagt, haben wir interessante betriebswirtschaftliche Perspektiven durch unsere Betrachtungsweise erhalten. Und sollte dieser Fall eintreffen, haben wir bereits Pläne in der Tasche.
AB: Verraten Sie es mir?
Bomelheinz: An einem anderen Standort, den ich noch nicht öffentlich bekannt geben will, arbeiten wir bereits an einer „Mermaid Production Fascility“
AB: Sie reden von einer Meerjungfrauenschule?
Bomelheinz: Also jetzt werden Sie aber wirklich etwas sadistisch und abartig, obwohl eine gewisse Analogie zu finden wäre, wenn man bedenkt, dass die kleinen Delikatessen ihren Platz in der Nahrungskette schnellstmöglich lernen sollen. Nein, ich rede wirklich über eine Fabrik, an dessen Ende in Fischtanks vorbereitet Meerjungfrauen herauskommen. Der Rohstoff sind da natürlich entsprechend interessierte Frauen und – logischerweise – künstliche Fischschwänze, die wir ihnen in unerwarteter Qualität günstig anbieten inklusive Testschwimmbecken, um die Leckerbissen an ihr kurzes Leben als Meerjungfrau zu gewöhnen.
AB: Wie soll das denn funktinoieren… Ich meine …?
Bomelheinz: Das ist der raffinierte Schachzug: Lebensmittelkonformer Kleber im Fischschwanz- und fertig ist die echte Meerjungfrau. Gründlich verarbeitet dürfte das hinterher niemandem weder auffallen noch wirklich interessieren.
AB: Und wenn sich keine mehr meldet … ?
Bomelheinz: Diesen Fall haben wir natürlich mit bedacht und haben eine Meinungsforschungseinrichtung mit entsprechenden Falltüren im Boden gleich mitgeplant. Einmal unten im Schalldichten „mentalen Vorbereitungsraum“ angekommen, bekommt nur diejenige Essen und Trinken, die auch Meerjungfrau werden möchte. Sie sehen also, auch hier läuft alles absolut freiwillig. Sie muss ja nicht zustimmen.
AB: Dass es aber dann niemals echte Meerjungfrauen sind, ist Ihnen egal … ?
Bomelheinz: Immer diese Detailfragen… Drücken wir das mal so aus:
Offiziell wissen wir hier in der Verarbeitung von nichts, aber um Fehler zu vermeiden, bekommt natürlich jede Meerjungfrau vor dem eigentlichen Verarbeitungsprozess die Möglichkeit, zu zeigen, dass es kein echter Schwanz ist. Wenn es so ist, kann sie den doch ausziehen, oder?
Und unsere Vereinssatzung macht den moralischen Schalldämpfer bei diesem Rumgejammer und den Beteuerungen, es handele sich um eine Verwechslung und sie wären reingelegt worden:
Es sind offiziell Fische, und Fische sprechen nicht.
Und sollte wider erwarten doch mal jemand zuhören, sind Meerjungfrauen nicht unbedingt für ihre Ehrlichkeit bekannt. Und DAS ist eine seit Jahrhunderten bekannte Tatsache.
SO, ich hoffe, alle Ihre Fragen sind beantwortet, wie es dazu kam, dass wir als „die Bösen“ in der Presse gehängt werden sollen. Ganz im Gegenteil, wir lieben sogar Meerjungfrauen, sie sind eine unersetzbare Größe in unserem schönen Ort geworden, und wir wünschen uns noch viele weitere Meerjungfrauen, die wir hier geliefert bekommen.
Einen Tipp gab uns Herman Bomelheinz noch mit auf den Weg:
Wenn wir durch den Ort wandern, sollten wir unbedingt den ortsansässigen Souvenierladen des Anglervereins besuchen. Als Besonderheit bietet dieser Souvenierladen nämlich wunderschöne und liebevoll gearbeitete Meerjungfrauenschwänze aus zweiter Hand an, die man wirklich benutzen kann.
Und zwar zu unschlagbaren Preisen…
Und Wir ?
Wir werden Klein-Grützenhoven wohl niemals wieder betreten, aber wohl auch niemals wieder vergessen.